Brauche ich noch einen IT-Leiter?
Brauchen mittelständische Firmen überhaupt noch einen IT-Leiter in diesen Tagen? Die Meinung unseres Autors ist eindeutig.
In diesen Tagen verändert sich die Welt so enorm wie selten zuvor in ihrer Geschichte. Das klingt vielleicht etwas hochgegriffen, aber wenn man sich einmal in seiner privaten Umgebung umblickt oder auch kurz innehält und reflektiert, wird man zugeben müssen, dass Dinge, die vor zwei bis drei Jahren noch völlig undenkbar waren, mittlerweile normal sind.

IT-Leiter können Workflows in Firmen mobil machen (Bildquelle Agentur Evernine).
Vom Handy gefilmt?
Ein paar Beispiele? Wenn wir uns früher in der Öffentlichkeit aufgehalten haben, war es uns wichtig, dass niemand – vor allem andere Privatpersonen – Aufnahmen von uns machten oder uns filmten. Wer unerwünscht eine Kamera oder ein entsprechend ausgestattetes Handy rausholte, um uns zu filmen, der wurde schnell von uns mit einem persönlichen Denkzettel bedacht (verbal, versteht sich).
Heute ist das anders: Zwar wollen wir immer noch genauso wenig im Digitalarchiv anderer landen, aber wenn wir ehrlich sind, ist uns klar, dass sich an mehr oder weniger jedem technischen Gerät eine Kamera befindet und wir davon ausgehen müssen, dass wenn wir in der Öffentlichkeit sind, wir mehr digital gescannt werden, als uns lieb ist. Hätten wir vor zwei Jahren gedacht, dass wir so schnell unsere Schmerzgrenze der Privatsphäre aufgeben? Die Aufdeckung der NSA-Affäre, die wir unter dem Strich doch recht passiv hinnehmen, verstärkt das nur noch mehr.
Aufmerksamkeit für 9 Sekunden
Oder die Aufmerksamkeit: Wussten Sie, dass wir Erhebungen zufolge in der modernen Welt einer Sache nur noch neun Sekunden geben, um zu entscheiden, ob Sie uns interessiert? 2012 waren es noch zwölf Sekunden. Die vielen (digitalen) Ablenkungen des Alltags haben das aus uns gemacht. Diese Beispiele lassen sich auch in der Firmenwelt fortsetzen: Verhaltensweisen, Akzeptanzen, Möglichkeiten, täglich verändern sie unser Spektrum, wie und wo wir arbeiten – beziehungsweise wofür wir beruflich bereit sind.
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Dass diese digitale Veränderung eine große Bedeutung für die Firmenwelt hat, ist klar. Viel wird darüber geschrieben. Aber was bedeutet sie für eine bestimmte Berufsgruppe, nämlich die des IT-Leiters? Schauen wir uns diese spezielle Berufsgruppe einmal an. Zuerst muss man sagen, dass es ihn vielerorts immer noch gibt. Um es vorwegzunehmen: Das ist auch gut so, nur muss seine Rolle neu definiert werden.
Druck von allen Seiten
Der Alltag zeigt es: Auf den IT-Leiter kommen heute viele Aufgaben zu, der Druck auf ihn steigt enorm. Er muss die laufende IT im Blick behalten, Mitarbeiter und die Chef-Ebene seiner Firma kommen zudem ständig auf ihn zu, da sie ihn nach neuen Trends fragen. „Wie lässt sich dieses und jenes erneuern, mobil machen, wie lassen sich Smartphones einbinden, wie besser zusammenarbeiten“, usw. Mitarbeiter und Fachabteilungen wollen ihre Arbeitsabläufe erneuern und dort, wo ihnen nicht geholfen wird, bedienen sie sich selbst aus der Cloud.
Das berühmte Beispiel dieser Form der so genannten „Schatten-IT“ ist Dropbox, das von Abteilungen einfach ohne den IT-Leiter zu fragen eingesetzt wird, ganz gleich wo die Daten liegen oder wie es mit Zugriffsrechten aussieht.

Wie lassen sich Ausagen für IT-Sicherheit in ROIs bewerten? (Quelle: flickr: elhombredenegro, CC BY 2.0).
Dazu kommt die zunehmende Bedrohung des Datenklaus: Während viele Fachabteilungen, etwa Human Ressources, Vertrieb, Marketing oder Sales auf eigene Lösungen setzen, wenn ihnen nicht geholfen wird, werden Hacker zur immer größeren Gefahr. Und schließlich kommt noch die Bedrohung für den eigenen Job: Wenn ich, vereinfacht ausgedrückt, die gesamte IT meines Unternehmens in die Hände eines Komplett-Dienstleister gebe – was heute dank abgesicherter Cloud– und Service-Konzepte problemlos möglich ist, wo bleibt da noch mein eigener Job?
Natürlich ist das nur die stark vereinfachende Beschreibung, vor welchen Problemen IT-Leiter heute stehen. Die Herausforderungen sind oft verschachtelter. Aber eines ist klar: IT-Leiter müssen in diesen Tagen ihre Rolle neu definieren.
Drei Anker können den Job retten
Es gibt drei Anker, die sie werfen müssen, um ihre Daseinsberechtigung in mittelständischen Unternehmen zu behalten. Um es einmal so auszudrücken: IT und auch die Art wie große Dienstleister Technik ausliefern und zugehörig beraten, professionialisiert sich in der neuen Welt derartig schnell, dass ihre Funktion sonst ganz simpel und einfach von externen Unternehmen überollt wird, ähnlich wie es der Online-Handel mit stationären Geschäften macht.
1) Das Business der eigenen Firma genau verstehen lernen
Früher wurden „IT-Leiter“ in Stellenanzeigen gesucht, genauso war auch das Selbstverständnis dieser Berufsgruppe. „Ich verantworte die IT eines Unternehmens“. Die genannten Herausforderungen bringen es aber mit sich, die Workflows der Fachabteilungen und auch die der gesamten Firma genau verstehen zu lernen, um Möglichkeiten, Bedarf aber auch Bedrohnungen zu identifizieren.
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Die Usability für den Endanwender muss stets im Fokus stehen, sonst bedient er sich schnell selbst. Und nicht zuletzt: Sie stehen dabei vor der Aufgabe, sich auch den business- und arbeitsrechtlichen Themen anzunehmen oder zumindest diese anzustoßen, die mit den neuen Workflows (etwa Heimarbeit, Verwendung privater Geräte für die Firma, etc.) einhergehen. So machen Sie sich schnell unverzichtbar.
2) Neue Möglichkeiten erkennen
Nun kann ja ein IT-Leiter nicht sofort damit loslegen, vertikale Workflows oder auch sämtliche Möglichkeiten der neuen IT genau zu verstehen. Nur so viel: Es gibt kaum einen Service oder eine Lösung in der digitalen Welt, die seitens des Empfängers, also des Kunden, nicht Anpassung, Monitoring oder Schulung braucht, wenn auch nur in geringem Maße. Es gibt also keinen Grund, aus Angst um den eigenen Job sich nicht damit auseinanderzusetzen.
Im Gegenteil: Desto mehr sich IT-Leiter im Business schlau machen oder sich zu modernen Möglichkeiten fortbilden, desto unentbehrlicher werden sie. Sie sollten eher die Nähe von Beratungshäusern & Dienstleistern suchen als diese zu meiden. So gibt es auch die Funktion eines „Cloud-Brokers“, der wie ein Finanzbroker das Porftfolio aus gewählten IT-Leistungen und die zuständigen Ressourcen und nötigen Absicherungen optimiert, auch wenn die physische Arbeit ausgelagert wird. Solche Broker sind für Unternehmen, dort wo sie sich selbst eingeführt haben, unersetzbar.
3) ROIs definieren
Wie soll man den Return-On-Investment einer Sicherheitsausgabe definieren? Wie die einer App, die den Vertrieb mobiler macht? Es mag vielleicht unmöglich klingen, aber das ist möglich. Es gibt für jeden modernen IT-Bereich inzwischen konkrete Antworten, die sich etwa an Opportunitätskosten orientieren. Firmeninvestitionen basieren auf erhofften Returns, und IT-Leiter sollten sich nicht scheuen, in dieses komplexe Feld einzusteigen. Auch hier ist betriebswirtschaftliches Wissen gefordert.
Quelle Titelbild: flickr: Bnilsen, CC BY-SA 2.0)