Der Einsatz digitaler Technologien kann dem deutschen Gesundheitswesen finanziell enorm zugutekommen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen McKinsey-Studie, die in Kooperation mit dem Bundesverband Managed Care (BMC) entstanden ist. Die Studienautoren prognostizieren Einsparungen von bis zu 34 Milliarden Euro im Jahr. Dies entspräche rund 12 Prozent der gesamten jährlichen Gesundheits- und Versorgungskosten.
2. November 2018
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In der offiziellen Pressemitteilung des Unternehmens erklärt McKinsey-Partner Stefan Biesdorf das Ergebnis: “Das Potenzial von 34. Mrd. Euro setzt sich einerseits aus Effizienzsteigerungen, andererseits aus Reduzierung unnötiger Nachfrage zusammen.”
Eine Maßnahme, um die Effizienz zu steigern, ist laut Studie die Einführung einer einheitlichen elektronischen Gesundheitsakte. Dadurch sei es beispielsweise möglich, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren – was zu schnelleren und reibungsloseren Abläufen führe. Allein mit der elektronischen Gesundheitsakte lasse sich 6,4 Milliarden Euro im Jahr einsparen.
Eine geringere Nachfrage könnte erreicht werden, indem man zum Beispiel Doppeluntersuchungen an Patienten vermeidet.
Die Studienautoren identifizieren 26 digitale Gesundheitstechnologien, die sie in sechs Lösungskategorien einteilen. Die Kategorien sind:
Die größten Potenziale bieten der Studie zufolge drei Technologien: die elektronische Patientenakte, die mobile Vernetzung des Pflegepersonals sowie Teleberatungen. Nur mit diesen drei Technologien könnten Ärzte oder Krankenhäuser – die besonders von der Digitalisierung im Gesundheitswesen profitieren würden – fast 13 Milliarden Euro im Jahr einsparen.
Der Einsatz von digitalen Lösungen im Gesundheitswesen senkt jedoch nicht nur Kosten, sondern entschärft auch manche Probleme – das betonen die Studienautoren. Als Beispiel nennen sie den Personalmangel in ländlichen Regionen: Dieser lasse sich mit Teleberatungen abmildern.
So könnten sich Ärzte und Patienten virtuell von Spezialisten beraten lassen – anstatt vor Ort. Damit sei es möglich, den Bedarf an Spezialisten in ländlichen Regionen zu senken.
Von einem digitalen Gesundheitswesen mit all seinen Vorteilen ist Deutschland aber weit entfernt. Das macht die Studie sehr deutlich: „Deutschland diskutiert noch, unsere Nachbarn sind schon weiter: In Österreich begleitet ELGA, die elektronische Gesundheitsakte, die Bürger von Arzt zu Arzt und in das Krankenhaus. In Schweden, Dänemark und Estland verschicken Ärzte elektronisch Rezepte an Patienten oder gleich an die Apotheke, die dann die Medikamente ausliefert. Und der staatliche britische Gesundheitsdienst NHS kooperiert mit Google, um mithilfe künstlicher Intelligenz den riesigen Datenschatz über Behandlungserfolge und Krankheitsverläufe, der sich beim NHS angesammelt hat, nutzbar zu machen.“
Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Managed Care, resümiert: “Im europäischen Vergleich ist Deutschland bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen abgehängt.” Es fehle dabei nicht an finanziellen Mitteln oder technologischen Voraussetzungen. Vielmehr sei es eine Frage der Haltung. “Im deutschen Gesundheitswesen gibt es viele Akteure, für die der Status quo besser ist als die Veränderung durch die Digitalisierung”, so Amelung.
Auch andere Verbände sehen für Deutschland akuten Handlungsbedarf. So veröffentlichten Bitkom und der Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen (SITiG) im Juni 2018 ein gemeinsames Schreiben, in der sie eine “Bundesagentur für digitalisierte Medizin” fordern. Diese sei dringend nötig, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben.