Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) kommt zunehmend in Unternehmen an. Laut KI-Experte Udo Würtz von Fujitsu beeinflusst KI nachhaltig etablierte Gütesiegel wie “Made in Germany”. Wieso das der Fall ist und wie Unternehmen KI-Technologien erfolgreich in ihrem Betrieb implementieren können, führt er im Interview aus.
10. Januar 2020
|
Lesedauer: ca. 7 Min.
Bild: © geralt/pixabay.com
CANCOM.info: Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das noch nichts vom Thema KI gehört hat. In Ihrer Position bei Fujitsu als Distinguished Engineer und Stellvertretender CTO Products Europe beschäftigen Sie sich intensiv mit der Thematik. Unter anderem halten Sie regelmäßig Vorträge und veröffentlichen Paper dazu. Wieso ist KI für Unternehmen so relevant?
Udo Würtz: Dies liegt vor allem daran, dass KI etablierte Strukturen aufbricht. Nehmen Sie Deutschland als Beispiel. Hierzulande gibt es sehr viele Firmen, die in ihrer Nische weltmarktführende Produkte bauen. Diese Unternehmen konnten sich bislang sicher fühlen, weil sie etwas schafften, woran sich viele Nationen regelmäßig die Zähne ausgebissen haben: Sie bauten für ihren Bereich sehr gute, langlebige und zuverlässige Produkte. So hat sich über Jahre das Gütesiegel “Made in Germany” etabliert. Mit der Nutzung von KI-Technologie wird der Markt neu aufgeteilt. Denn dadurch ist es möglich, Produktschwächen auszugleichen – und neue Produkte konkurrenzfähig werden, die zuvor klar unterlegen waren.
CANCOM.info: Können Sie ein Beispiel für diesen „Ausgleich“ durch KI geben?
Udo Würtz: Ein Beispiel ist der Bereich Maschinenbau. Wenn andere Unternehmen Maschinen anbieten, die für Produktionen eingesetzt werden und eigentlich gut, aber unzuverlässiger funktionieren, lässt sich dieser Nachteil nun mit dem Einsatz von KI relativieren. Ein klassischer Anwendungsfall ist Predictive Maintenance. Damit ist es möglich, Maschinen zu überwachen, Ausfälle frühzeitig und präzise vorherzusagen – und so einen tatsächlichen Ausfall der Maschinen zu vermeiden. Schließlich bekommt der Hersteller genügend Zeit, um etwa die fehlerhaften Teile auszutauschen. Das heißt: Mit dem Einsatz von KI funktionieren diese Maschinen auf einmal zuverlässiger. Gleichzeitig können sie deutlich billiger angeboten werden, weil sie häufig aus Ländern mit niedrigeren Herstellungskosten kommen. Auf diese Weise lassen sich etablierte Märkte nachhaltig attackieren.
„KI ist ein fremder Baustein, den ich sinnvoll und ganzheitlich in den Betrieb integrieren muss.“
Udo Würtz mit Blick auf die Implementierung von KI-Lösungen in Unternehmen
Udo Würtz, Distinguished Engineer und Stellvertretender CTO Products Europe, Fujitsu
CANCOM.info: Im Umkehrschluss bedeutet das also: Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Unternehmen in Deutschland auf KI setzen – selbst wenn sie einen Nischenbereich bedienen.
Udo Würtz: Genau. Ich nehme regelmäßig Kundentermine in Deutschland wahr und kann sagen: Die Relevanz von KI für Unternehmen steigt signifikant.
CANCOM.info: Würden Sie bestimmte Branchen identifizieren, bei denen sich KI-Technologie besonders lohnt?
Udo Würtz: Wie gerade erwähnt, gehören auf jeden Fall Unternehmen dazu, die Maschinen herstellen. Das hilft nämlich nicht nur dem Standort Deutschland sondern auch den gesamten „Made in Germany“- und Mittelstands-Umfeld. Weitere Branchen sind der Healthcare- oder Finance-Bereich. Tatsächlich sind Banken oder Börsen schon relativ weit fortgeschritten. Beispielsweise funktioniert das Trading von Aktien bereits über Algorithmen.
CANCOM.info: Welche Schritte müssen Firmen nun angehen, um KI im Betrieb einzuführen?
Udo Würtz: Zu Beginn steht immer, den genauen Bedarf für KI-Lösungen zu ermitteln. Und das muss über den C-Level kommen. Das heißt: Je nach Firmenorganisation stehen die Geschäftsführung oder der CIO oder CTO in der Pflicht. Denn eines muss jedem Unternehmen bewusst sein: KI ist ein strategisches Thema. Es ist kein Stück Infrastruktur, wie Server oder Storage, das ich einsetze, um meine IT zu optimieren. KI ist ein fremder Baustein, den ich sinnvoll und ganzheitlich in den Betrieb integrieren muss.
CANCOM.info: Gibt es bestimmte Kriterien, mit denen Unternehmen „sinnvolle“ KI-Lösungen identifizieren können?
Udo Würtz: Das zentrale Kriterium lautet Wettbewerbsfähigkeit. Die Lösungen müssen so konzipiert sein, dass daraus nachhaltige Unternehmensvorteile entstehen. Sonst macht KI wenig Sinn. Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, wie Firmen mit KI-Lösungen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Der erste Weg geht über Kostensenkungen. Das heißt: Unternehmen analysieren mithilfe von KI bestehende Prozesse, verbessern diese – und machen sie damit kosteneffizienter. Der zweite Weg geht über die Entwicklung von Innovationen. Das bedeutet einerseits, dass Firmen etablierte Produkte an den Markt bringen, die sich durch KI-Technologie von der Konkurrenz abheben. Ein Beispiel ist das bereits angesprochene Thema Predictive Maintenance bei Maschinen. Hier bieten wir als Fujitsu fertige Lösungen an, die wir schon bei Kunden platziert haben. Andererseits heißt es, völlig neue KI-basierte Konzepte zu entwickeln. Ein solches Konzept sind etwa selbstfahrende Fahrzeuge.
CANCOM.info: Nehmen wir an, ein Unternehmen hat seine KI-Strategie entwickelt. Wie gelingt die praktische Umsetzung?
Udo Würtz: Um KI-Projekte zu realisieren, benötigen Firmen entsprechend ausgebildete Mitarbeiter. In vielen Fällen haben sie diese nicht und müssen neue einstellen. Vor allem für mittelständische Unternehmen ist das allerdings eine enorme Herausforderung. Denn neue Mitarbeiter im KI-Bereich sind schwer zu bekommen. Der Markt ist ziemlich leer gefegt – und die guten Leute können sich den Betrieb quasi aussuchen.
CANCOM.info: Was können Unternehmen tun, wenn sie das benötigte Personal nicht bekommen?
Udo Würtz: Sie können beispielsweise auf externe Dienstleister setzen. Der Dienstleister nimmt den Kunden an die Hand, setzt KI-Projekte um, übernimmt das Consulting. Aktuell ist das ein extrem wachsender Markt.
Seite 1