In Zeiten des Coronavirus arbeiten viele Arbeitnehmer im Home Office – und müssen dort Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen. Eine Aufgabe, die gerade Familien mit Kleinkindern vor große Herausforderungen stellen kann. Genau vor dieser Aufgabe steht unser Gastautor Nico Schwarz (Solution Architect, CANCOM). Im Beitrag schildert er drei Modelle, mit denen Arbeitnehmer ihren Alltag unter diesen besonderen Umständen meistern können.
7. April 2020
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Lesedauer: ca. 5 Min.
Bild: © FirmBee/pixabay.com
Es ist eine ungewohnte Situation für uns alle: Home Office, evtl. von mehreren Familienangehörigen, ist an der Tagesordnung – und die Kinder sind immer mit dabei. Die gewohnten Strukturen, in denen es möglich ist, Arbeit und Privates getrennt zu halten, auch räumlich, gibt es erst einmal nicht mehr. Auch die Großeltern, als Unterstützung der Familie, fallen aus. Jede Familie benötigt eigene Strategien, wie man sich in der neuen Realität einrichtet. Allgemeingültige Blaupausen gibt es nicht – denn jede Familie ist anders und hat andere Bedürfnisse.
Je nach Altersklasse der Kinder zu Hause ist die Organisation eines Tages mit Home Office und Kindern eine größere Herausforderung. Daher ist es wichtig, eine Struktur und einen Plan in der Familie zu etablieren. Wie dieser konkret aussieht, hängt von vielen Faktoren ab – wie zum Beispiel der Menge der Personen im Haushalt, dem Alter der Kinder, den Berufen der Eltern, etc.
Im Folgenden führe ich die Lösungen auf, die bisher an mich herangetragen wurden. Wie erwähnt, gibt es keine allgemeingültigen Blaupausen. Allerdings lassen sich die meisten Lösungen, von denen ich erfahren habe, in eines dieser Muster einordnen. Alle basieren darauf, dass wir unsere üblichen Tagesstrukturen aufbrechen und neu organisieren.
Wenn es möglich ist, beginnt ein Elternteil sehr früh mit der Arbeit und arbeitet bis in die frühe Nachmittagszeit möglichst ungestört im Home Office. Der zweite Elternteil übernimmt die Kinderbetreuung. In der frühen Nachmittagszeit wird gewechselt und der zweite Elternteil beginnt mit der Arbeit, die sich in dem Fall bis in die Abendstunden streckt.
Diese Modell kann passen, wenn die Eltern entsprechend flexibel mit ihren Arbeitszeiten sein können, und ein “zerhacken” des eigenen Arbeitstages in mehrere Blöcke, oder ein komplett flexibles Modell, keine Option darstellt – weil zum Beispiel die persönliche Anwesenheit benötigt wird.
Auch in diesem Modell wird abwechselnd gearbeitet. Ein Elternteil beginnt (ggf. auch früher am Morgen), während der Partner die Betreuung übernimmt. Jedoch wird nicht der volle Arbeitstag “durchgearbeitet”, sondern nach einer fixen Stundenzahl wird gewechselt. Dafür wird ein fester Block für die Arbeit eingeplant, ein weiterer fester Block dann für die Kinderbetreuung. Später am Tag folgt dann ein weiterer fester Block für den Rest der Arbeit. Im Optimalfall grenzen die Blöcke der Eltern aneinander an, und es wechseln sich Kinderbetreuung und Arbeit ab.
Der Vorteil dieses Modells ist, dass nicht ein Elternteil nach einer langen Phase der Kinderbetreuung schon erschöpft ist, bevor es seinen Arbeitstag beginnt. Weiterhin lassen sich die fixen Blöcke im Kalender eintragen, sodass sich auch Kollegen danach richten können. Man sollte darauf achten, dass es nicht zu viele Blöcke werden. Sonst erzeugt man vor lauter Wechseln zwischen Kindern und Beruf mehr Stress als man löst. Blocklängen von ca. 4 Stunden haben sich bewährt. Weiterhin können die Blöcke auch mit dem aufgestellten “Tagesplan” abgestimmt sein. Dann ist zum Beispiel ein Elternteil in seiner Betreuungszeit fest für Aktivitäten zur Bildung, Sport oder Projekten vorgesehen.
Jeder Tag ist anders, besonders wenn beide Elternteile berufstätig im Home Office und in ein Netz aus eigenen Verpflichtungen und Terminen eingebunden sind. Fixe Strukturen und Blöcke halten somit nicht lange. Diese Situation ist eine der schwierigsten für die Vereinbarkeit von Home Office und Kinderbetreuung, da es kaum möglich ist, dem Tag eine feste Struktur zu geben.
Ein Modell könnte zum Beispiel sein, einige Fixpunkte am Tag zu definieren, an denen die Familie zur Ruhe kommt. Dazu zählen Frühstück, Mittag, Abendessen und vielleicht auch eine feste Pause mittendrin. Dafür können sich beide Eltern fixe Blocker in den Kalender eintragen, um zumindest für eine halbe Stunde zusammen zu sein. Für den Rest des Arbeitstages können die Eltern einen neuen gemeinsamen Kalender anlegen. Wenn beide etwa Office 365 bzw. Microsoft Teams nutzen, könnten sie hier Freigaben einrichten. Im Zweifelsfall lässt sich auch ein anderer Online-Kalender nutzen. In beiden Fällen muss natürlich der Datenschutz beachtet werden.
In diesem gemeinsamen Kalender wird jeder Termin als Blocker eingetragen, sodass man immer sieht, wann der Partner für die Kinderbetreuung nicht verfügbar ist. Hier sollten auch Blocker für die konzentrierte Arbeit an Dokumenten etc. eingetragen werden. Wenn der Partner bereits einen Terminblocker im Kalender hat, kann man selbst dort keinen eintragen. Entsprechend ist es nötig, die eigenen Termine auf eine andere Zeit zu verlegen. Ein so gemeinsam organisierter Arbeitstag dehnt sich natürlich weiter aus – und kann früh beginnen und spät enden.
Aus diesem Grund fordert dieses Modell am meisten Kommunikationsaufwand und viel Verständnis innerhalb der Familie. Es wird sicherlich “Verhandlungen” um bestimmte Zeiten am Tag geben, an denen besonders häufig Webkonferenzen angesetzt werden. Sollten andere Modelle jedoch einfach unmöglich sein, können hier ein gemeinsames Tooling sowie bestimmte Regeln zur eigenen Terminvergabe dabei helfen, Konflikte weitestmöglich zu vermeiden – und sicherzustellen, dass immer ein Elternteil für die Kinderbetreuung frei ist.
Ich persönlich konnte ein Blockmodell etablieren. Ich arbeite vom frühen Vormittag bis in den frühen Nachmittag, dann übernehme ich unsere 3 jährige Tochter. Wir sammeln trockene Äste im Garten, üben Radfahren im Hinterhof, bauen Duplo-Landschaften, basteln, lesen und machen Blödsinn. Ich habe mein Handy dabei und manchmal geht es nicht anders, als kurz noch einen Anruf nebenher anzunehmen. Oder noch etwas mit einem Kollegen abzustimmen, der beispielsweise nur um 16:00 verfügbar ist. Das erledige ich dann mit meinem Headset, sodass die Hände frei sind und ich zum Beispiel weiter mit meiner Tochter Äste sammeln kann. Natürlich ist das nicht optimal. Es ist ein Kompromiss. Ich versuche es möglichst kurz zu halten, denn meine Tochter verdient viel Aufmerksamkeit.
Abends beginne ich meinen zweiten Arbeitsblock, der aktuell auch spät werden kann. Meistens ist das die Zeit, in der ich tatsächlich in Ruhe an Dokumenten arbeiten kann, oder einem Artikel wie diesem. Funktioniert das immer? Natürlich nicht! In den letzten Wochen musste ich immer wieder vom Blockmodell abweichen. Es gab Tage, da konnte ich den ganzen Vormittag für meine Tochter da sein, hatte dann allerdings am Nachmittag bis Abends Termine, die nicht anders zu organisieren waren. Dann habe ich eher nach einem 50/50-Modell gearbeitet. In Einzelfällen geht es manchmal auch nicht anders als “Jeder Tag ist anders” auszurufen, und mehrmals zwischen Kindern und Beruf zu wechseln. Genau darum geht es für mich in dieser Situation. Einen Plan zu entwickeln wie es normalerweise funktionieren kann – und flexibel genug zu sein, um bei Bedarf davon abzuweichen.
Das Blockmodell ist anstrengend und als Eltern ist Müdigkeit ohnehin ein ständiger Begleiter. Aber es ist ein Modell, mit dem wir in unserer Familie eine ganze Weile zurechtkommen werden, ohne dass der Stresspegel zu hoch steigt.
Jede Familie muss ihr eigenes Modell finden, und vielleicht einige der hier vorgestellten Modelle frei kombinieren. Ich hoffe, dieser Artikel kann dafür einige Denkanstöße geben – und Ihnen dabei helfen, das Home Office mit Kinderbetreuung für sich zu strukturieren.
Dieser Artikel ist der Auftakt einer Artikelreihe rund um das Thema Home Office. In regelmäßig veröffentlichten Beiträgen werden darin unterschiedliche Facetten beleuchtet, die dazu beitragen sollen, dass Sie Ihren Aufgaben von zuhause aus bestmöglich nachgehen können – sowohl beruflich als auch privat. Den zweiten Teil der Reihe, der das Thema Konnektivität im Home Office beleuchtet, finden Sie hier.
Nico Schwarz
Solution Architect, CANCOM
Nico Schwarz arbeitet als Solution Architect bei CANCOM. Er ist spezialisiert auf das Lösungsdesign der Dynamic Cloud-Plattform von CANCOM auf Basis von Openstack, Ceph Object Storage-Systemen und Datacenter Automation. Als Vater von zwei Kindern ist er aktuell ausschließlich im Home Office tätig. Für die CANCOM.info schreibt er über seine Erfahrungen, um Eltern in ähnlichen Situationen Anregungen zu geben.
Bild: © CANCOM