Sven Hancke (Director, Digital Solutions, CANCOM) im Interview
Flexible Arbeitsmodelle wie Remote Work setzen sich in Unternehmen immer stärker durch. Folglich sind weniger Mitarbeiter im Büro. Dokumentenprozesse wie das Einholen von Unterschriften werden dann zur Herausforderung. Abhilfe kann die elektronische Signatur schaffen. Doch wie gelingt die technische Einführung? Und wieso spielt die rechtliche Dimension eine wesentliche Rolle? Darüber hat die Redaktion von CANCOM.info mit Sven Hancke (Director, Digital Solutions, CANCOM) gesprochen.
10. November 2020
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Lesedauer: ca. 6 Min.
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CANCOM.info: Wie etwa aus einem Artikel von IT Daily vom September hervorgeht, beurteilen Unternehmen die Digitalisierung ihrer Prozesse, wodurch sie durch die Corona-Pandemie „gezwungen“ wurden, weiterhin als positiv. Ein Beispiel ist der Unterschriftenprozess: Angesichts von Kontaktbeschränkungen ist es natürlich schwer, Unterschriften persönlich einzuholen. Wie gehen Firmen aktuell mit dieser Situation um?
Sven Hancke: Die Coronakrise hat gezeigt, in welchen Bereichen Defizite bei der Digitalisierung bestehen. Diese Defizite existieren in vielen Unternehmen schon länger, machten sich aber durch die Pandemie stärker bemerkbar. Der Unterschriftenprozess ist ein solcher Bereich. Vielen Firmen ist klar geworden, dass Signaturen schlecht einzuholen sind, wenn Mitarbeiter langfristig im Home Office arbeiten. Und das kann in Fällen, in denen eine Unterschrift zwingend benötigt wird, zum Problem werden. Ein typisches Beispiel war das Thema Kurzarbeit. So war häufig die Unterschrift der Mitarbeiter erforderlich, um Kurzarbeit im Betrieb einführen zu können. Eine weit verbreitete Lösung bestand darin, Dokumente per E-Mail zu versenden, damit sie die Mitarbeiter zuhause ausdrucken, unterschreiben, einscannen und wieder zurückschicken können.
CANCOM.info: Das klingt nach einem langwierigen Prozess.
Sven Hancke: Absolut, zumal dieser Prozess nach wie vor nur funktioniert, wenn jeder das nötige Equipment – also einen Scanner – zuhause hat. Und das muss nicht unbedingt der Fall sein. Deshalb kann es deutlich sinnvoller sein, den Unterschriftenprozess zu digitalisieren. So können Firmen damit ihre digitalen Prozesse erweitern und sich für die Zukunft besser aufstellen. Die grundsätzliche Logik besteht darin, die papiergebundene, klassische Unterschrift durch eine elektronische zu ersetzen. Wie und ob man diesen Ansatz praktisch umsetzt, hängt besonders von den konkreten Anforderungen des jeweiligen Unternehmens ab. Entsprechend ist die elektronische Unterschrift in unterschiedlichen Qualitäten verfügbar, um die verschiedenen Anforderungen zu adressieren.
CANCOM.info: Welche Qualitäten der elektronischen Unterschrift gibt es?
Sven Hancke: Dazu macht die sogenannte eIDAS Verordnung der EU klare Vorgaben. Demnach reicht die Bandbreite von der einfachen elektronischen Unterschrift über eine fortgeschrittene bis hin zur qualifizierten Signatur. Wie aus der Verordnung hervorgeht, sind in erster Linie die regulatorischen bzw. rechtlichen Anforderungen ausschlaggebend, um die passende Qualität der elektronischen Unterschrift zu wählen. Benötigen Unternehmen für ihre Anwendungsszenarien zum Beispiel eine Rechtsverbindlichkeit, die sich auf dem Niveau der handschriftlichen Unterschrift befindet, kommt nur die qualifizierte, digitale Signatur infrage. Voraussetzung ist hier natürlich, dass es sich um Szenarien handelt, die nicht explizit eine handschriftliche Unterschrift vorschreiben. Erst wenn all diese Regularien geklärt sind, kann man in die technische Umsetzung gehen – die wir als CANCOM beim Kunden übernehmen.
CANCOM.info: Das heißt im Umkehrschluss, dass eine Firma zunächst die rechtlichen Anforderungen abklären muss, bevor sie die elektronische Unterschrift technologisch verwirklichen kann.
Sven Hancke: Richtig, und diese Abklärung machen Unternehmen am besten mit Juristen. Wir als CANCOM sind ein IT-Unternehmen – und können im Zweifelsfall weder die rechtlichen Vorgaben prüfen noch gesetzmäßige Empfehlungen aussprechen. Wir können lediglich darauf hinweisen, dass die rechtlichen Anforderungen für die technologische Umsetzung vorab feststehen müssen. Am Ende des Tages ist eine Unterschrift schließlich ein Mechanismus, der rechtliche Relevanz hat. Sonst wäre sie unnötig. Deshalb gilt: Die rechtlichen Rahmenbedingungen geben immer vor, wie die elektronische Unterschrift technologisch umzusetzen ist. Sie sind dafür die Guideline. Tatsächlich kann es auch technisch einen Unterschied ausmachen, welche Qualität der elektronischen Unterschrift nötig ist. Die digitale Signatur kann beispielsweise eine Public Key-Infrastruktur voraussetzen. Das ist eine Infrastruktur, mit der sich die Identität einer Person oder eines Unternehmens zweifelsfrei feststellen lässt. Bei der einfachen elektronischen Unterschrift ist eine solche Infrastruktur nicht erforderlich.
CANCOM.info: Gehen wir davon aus, ein Unternehmen hat sich Klarheit über die Regularien verschafft. Welche wesentlichen Maßnahmen treffen Sie als CANCOM, um die Umsetzung technologisch zu verwirklichen?
Sven Hancke: Wir ermitteln im ersten Schritt die Ausgangslage sowie die nötigen Maßnahmen. Dazu gehört vor allem die Frage, ob die technische Umsetzung auf einer „grünen Wiese“ stattfindet oder ob es erforderlich ist, in eine bestehende IT-Umgebung zu integrieren. Hinzu kommen die regulatorischen Anforderungen für die geplanten Anwendungsszenarien. Wenn zum Beispiel eine digitale Signatur gefordert ist, spielt das Thema Public Key-Infrastruktur eine entscheidende Rolle: Verfügt der Kunde bereits über eine solche Infrastruktur? Oder muss sie zusätzlich aufgesetzt werden? Erst wenn all diese Punkte geklärt sind, kümmern wir uns um die praktische Umsetzung. Als passendes Toolset nutzen wir dafür unter anderem Adobe Sign.
CANCOM.info: Welches Szenario tritt Ihrer Erfahrung nach bei der technischen Umsetzung häufiger auf? Die „grüne Wiese“ oder die Integration in die bestehende IT-Umgebung?
Sven Hancke: In den meisten Fällen treffen wir auf eine bestehende IT-Infrastruktur. Das liegt daran, dass viele Unternehmen zumindest mit der Digitalisierung angefangen und entsprechend digitale Prozesse, häufig mit Microsoft-Applikationen wie Office 365, aufgebaut haben. Genau in diese Prozesse muss man die benötigten Funktionalitäten der elektronischen Unterschrift integrieren. Und das klappt eben mithilfe von passenden Toolsets wie Adobe Sign.
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