Digitale Angebote für alle zugänglich: Deshalb wird die digitale Barrierefreiheit unverzichtbar

Die digitale Barrierefreiheit verfolgt ein klares Ziel: Alle Nutzer müssen die Möglichkeit haben, selbstständig und uneingeschränkt auf sämtliche digitalen Angebote zuzugreifen. Dies schließt Menschen mit Beeinträchtigungen explizit mit ein. Ab Juni 2025 ist die Barrierefreiheit, also auch die digitale, für Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben. Mit dem „Test.Labor Barrierefreiheit“ (mehr dazu im nachfolgenden Video) möchte die Münchner Stiftung Pfennigparade die Firmen bei der Umsetzung unterstützen.

10. März 2023

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Lesedauer: ca. 5 Min.

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Bild: © CANCOM

Es scheint heute selbstverständlich: Das Recherchieren im Internet oder die Nutzung von Apps. Doch wer beispielsweise eingeschränkt sieht oder hört, kann im Alltag auf Hürden stoßen. Das kann etwa eine Website sein, die Videos ohne Untertitel anbietet – sodass taube Menschen keine Chance haben, den Inhalt der Videos zu verfolgen. Oder ein PDF-Dokument, bei dem die Strukturierung in Tags fehlt – was sehbehinderte Menschen daran hindert, den Inhalt der PDF mittels Screenreader zu erfassen.

Diese und weitere Mängel müssen Firmen bis zum 28. Juni 2025 beheben. Denn ab diesem Zeitpunkt gilt das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Dieses verpflichtet Unternehmen dazu, viele Produkte und Dienstleistungen in Zukunft barrierefrei anzubieten. Dazu gehören unter anderem PCs und Betriebssysteme, Geld- und Fahrkartenautomaten, Mobiltelefone, E-Book-Reader sowie E-Commerce-Angebote. Es betrifft also die digitalen Dienste, die wichtig für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind. Eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der viele Unternehmen erst am Anfang stehen.

Das zeigt exemplarisch eine Studie des Bundesminimisteriums für Arbeit und Soziales, die rund 1.900 Websites der öffentlichen Verwaltung auf ihre Barrierefreiheit untersucht hat. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat die gesammelten Daten ausgewertet und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Demnach erfüllt keine einzige der untersuchten Websites alle Anforderungen einer barrierefreien Internetseite. Wie Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut für Deutsche Wirtschaft einräumt, ist dies auch schwer realisierbar. Schließlich müssten dafür 78 Kriterien in die Tat umgesetzt werden. „Es ist allerdings erschreckend, wie wenige Vorgaben die Behörden umsetzen“, so Christiane Flüter-Hoffmann weiter.

Digitale Barrierefreiheit umfasst mehrere Dimensionen

Doch wie können Unternehmen ihre digitalen Angebote barrierefrei konzipieren? Hier kommen vor allem die in der Studie erwähnten 78 Kriterien ins Spiel. All diese Kriterien sind Bestandteil der sogenannten Web Content Accessibility Guidelines in der aktuellen Version 2.1 (kurz: WCAG 2.1). Bei der WCAG handelt es sich um ein von der Organisation „W3C“ (Word Wide Web Consortium) erstelltes Dokument, das internationale Standards für die barrierefreie Gestaltung von Webseiten, Nicht-Web-Dokumenten (zum Beispiel PDF-Dateien) und Software formuliert. Im Kontext der digitalen Barrierefreiheit gilt die WCAG als das bedeutsamste Dokument – auf das sich auch die jeweiligen europäischen Richtlinien und Normen beziehen, vor allem die EN 301 549.

Mit den 78 Kriterien der WCAG 2.1 können Unternehmen also evaluieren, inwieweit sie ihre Webseiten, Nicht-Web-Dokumente und Software-Lösungen schon barrierefrei gestaltet haben – und in welchen Bereichen noch Optimierungsbedarf besteht. Jedes Kriterium wird dabei einem von vier Grundprinzipien untergeordnet. Diese lauten:

  • Wahrnehmbarkeit: Die Inhalte der digitalen Angebote müssen so präsentiert werden, dass sie möglichst viele Benutzer wahrnehmen können. Dazu gehört beispielsweise, eine Website semantisch korrekt zu strukturieren sowie Bilder, Formulare und Buttons textlich zu beschreiben.
  • Bedienbarkeit: Die Schnittstelle der digitalen Angebote muss für möglichst alle Nutzer bedienbar sein. Dies bedeutet zum Beispiel, eine Website oder App so zu gestalten, dass diese auch per Sprachbefehl gesteuert werden kann.
  • Verständlichkeit: Diese bezieht sich sowohl auf die Inhalte als auch auf die Bedienung der digitalen Angebote. Ein entscheidender Aspekt ist hier die Usability. Firmen müssen sich Fragen stellen wie: Ist die Navigation der App oder Website konsistent? Folgen die Seiten einer logischen, klar nachvollziehbaren Struktur?
  • Robustheit: Es ist erforderlich, die digitalen Angebote technisch robust zu entwickeln. Das bedeutet: Sie müssen mit gängigen aber auch künftigen Technologien zuverlässig funktionieren. Zu diesen Technologien zählen auch behinderungsspezifische Hilfsmittel wie Assistive Technologien.

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Video: © CANCOM/vimeo.com

Münchner Stiftung Pfennigparade: Auf Barrierefreiheit spezialisiert

Das zeigt: Die Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit birgt eine Vielzahl von Facetten und ist entsprechend komplex. Um Firmen dabei zu unterstützen, hat die Münchner Stiftung Pfennigparade das „Test.Labor Barrierefreiheit“ ins Leben gerufen. Hier handelt es sich um ein deutschlandweit einmaliges Angebot, bei dem Menschen mit Behinderungen die Barrierefreiheit von Websites und weiteren digitalen Angeboten live testen. Dies geschieht insbesondere auf Basis der WCAG und der EN 301 549. Außerdem wird geprüft, inwiefern nicht-digitale, alltägliche Produkte wie Geldautomaten oder Staubsauger für Menschen mit Beeinträchtigungen bedienbar sind – und wie sich deren Bedienbarkeit mit der Digitalisierung verbessern lässt.

Das Ziel: Unternehmen sollen wertvolle Informationen darüber erhalten, wie nutzbar ihre aktuellen (digitalen) Produkte und Services tatsächlich sind. Denn wie die Pfennigparade betont, hilft gute Nutzbarkeit allen Menschen – auch denen, die beispielsweise durch einen Unfall kurzfristig in ihrer Bewegung eingeschränkt sind oder aufgrund ihres Alters nicht mehr so gut sehen. Zudem sollen diese Informationen den Firmen helfen, neue Angebote von Beginn an für alle Nutzer sinnvoll zu entwickeln.

Wie bedeutend das Thema digitale Barrierefreiheit ist, unterstreicht Daniel Bruder (Online Marketing & Communications Specialist bei der Stiftung Pfennigparade) im Video. So sei das alltägliche Leben traditionell nicht auf Menschen mit Behinderungen ausgerichtet. Durch die Digitalisierung ändere sich das langsam.

„In der digitalen Welt ist alles möglich. Wenn ich mir eine VR-Brille aufsetze, dann bin ich als Mensch mit Einschränkungen auf einmal ganz woanders. Da könnte ich auf einen Berg wandern, wenn ich die Erfahrung haben will.“ Eine Erfahrung, so Daniel Bruder, die Menschen mit Einschränkungen niemals ohne digitale Hilfsmittel machen könnten.

Dass die Digitalisierung dazu beiträgt, Barrieren für Menschen mit Behinderungen abzubauen, habe er selbst erlebt. So habe er zuvor teure und eher schlecht funktionierende Hilfsmittel benötigt, um telefonieren zu können. Das Smartphone habe all diese Hilfsmittel überflüssig gemacht – dank der Nutzung von Sprachassistenten.

Laut Dr. Jochen Walter, Vorstand der Stiftung Pfennigparade, wird das Thema digitale Barrierefreiheit in Zukunft sogar noch wichtiger werden. Denn durch das Älterwerden der Gesellschaft würde die Anzahl derjenigen Menschen steigen, die auf barrierefreie digitale Angebote angewiesen sind. Wie Dr. Jochen Walter im Video beschreibt, liegt dies daran, dass die Menschen inzwischen gewohnt sind, digitale Geschäfte zu machen – sodass sie darauf auch nicht verzichten möchten, wenn sie mit zunehmenden Alter weniger beweglich sind oder schlechter sehen. „Deshalb glauben wir, dass digitale Barrierefreiheit in Zukunft nicht mehr nur ein Thema ist für Menschen mit Behinderungen, sondern für viele Menschen.“

CANCOM maßgeblich an der Umsetzung beteiligt

Bei der Einrichtung des „Test.Labor Barrierefreiheit“ bei der Stiftung Pfennigparade war CANCOM wesentlich beteiligt: Im Rahmen eines sozialen Azubi-Projekts statteten CANCOM-Auszubildende das Labor mit der für die Tests nötigen Hardware aus. Unter anderem installierten sie moderne, mobile Videokonferenzsysteme.

„CANCOM hat sich an diesem Projekt beteiligt, weil wir so hervorragend das soziale Engagement mit unserem täglichen Business verbinden können“, kommentiert Martin Mayr (Senior Vice President bei CANCOM) im Video. „Besonders hervorheben möchte ich, dass das Projekt von Anfang bis Ende von unseren Auszubildenden geplant und umgesetzt wurde.“

Für diese Umsetzung wurde CANCOM jüngst von der Landeshauptstadt München ausgezeichnet (hier geht es zur offiziellen Pressemitteilung). So erhielt der IT-Konzern den Preis für soziales Engagement „Münchens ausgezeichnete Unternehmen 2022“ in der Kategorie „Großunternehmen“. Begründet wurde die Auszeichnung vor allem damit, dass CANCOM die Ausstattung des „Test.Labor Barrierefreiheit“ nicht aus Profitgründen, sondern als Chance für soziales Engagement realisierte.

Weitere Informationen rund um das CANCOM-Projekt bei der Stiftung Pfennigparade erfahren Sie hier.

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